Angaben zum Begriff
Bevorzugte Bezeichnung
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Definition
- Duden: kleines Volk; Volksgruppe, -stamm | Meyers Großes Konversations-Lexikon 1908: Nation (lat., Völkerschaft), ein nach Abstammung, Sitte und Sprache zusammengehöriger Teil der Menschheit; Nationalität, die Zugehörigkeit zu diesem Teil. Das Wort N. wird nur in diesem Sinne, das Wort Volk sowohl in diesem Sinne als auch zur Bezeichnung der Angehörigen eines bestimmten Staates gebraucht. Man kann also deutsches Volk und deutsche N. sagen, dagegen wohl von einem österreichischen Volk, nicht aber von einer österreichischen N. sprechen. Zu beachten ist ferner, daß nach englischem und französischem Sprachgebrauch der Ausdruck N. gerade umgekehrt das Staatsvolk (die politische Nationalität), daher auch Nationalität soviel wie Staatsangehörigkeit bezeichnet, während für die N. im deutschen Sinne des Wortes, für das Naturvolk (die natürliche Nationalität), die Worte Peuple (franz.) und People (engl.) gebräuchlich sind. In dem Begriff der N. liegt das Bewußtsein der gemeinsamen Abstammung und der Zusammengehörigkeit: das Nationalgefühl. Ebendieses ist es aber, das zugleich den Gegensatz zwischen der einen und der andern N. hervortreten läßt. Kann zudem eine N. auf eine große Vergangenheit zurückblicken, oder nimmt sie unter den verschiedenen Nationen eine besonders hervorragende Stellung ein, so steigert sich das Nationalgefühl zum Nationalstolz, während sich jener Gegensatz zwischen verschiedenen Nationalitäten zuweilen bis zum Nationalhaß verschärft. Mit dem Nationalgefühl steht der nationale Selbsterhaltungstrieb im Zusammenhange; darum gilt jeder N. die Nationalfreiheit) als höchstes Gut, und die Nationalehre verbietet ihr die freiwillige Unterwerfung unter eine andre N. Aus demselben Grund ist auch jede N. auf die Erhaltung ihrer nationalen Eigentümlichkeiten bedacht, vor allem auf die der Nationalsprache, denn auf dieser beruht zumeist das Wesen der N., und sie ist es, welche die Stammesgenossen am engsten verbindet. Dazu kommt bei den Kulturvölkerschaften eine gemeinsame Nationalliteratur, in der die Nationalsitte ihren besten Ausdruck findet. Denn wie die Ausdrucksweise jeder N., d.h. ihre Sprache, eine besondere ist, so pflegt es auch ihre Anschaunngs- und Auffassungsweise auf dem sittlichen Gebiet, der Nationalcharakter, zu sein. Am leichtesten wird natürlich einer N. die Erhaltung ihrer Selbständigkeit dann werden, wenn sie allein ohne anderweite nationale Elemente einen Staat bildet, und dieser Staat wird sich durch besondere Stetigkeit und Festigkeit auszeichnen, weil er eine natürliche Grundlage hat. Jedenfalls ist es für einen Staat von großer Bedeutung, wenn eine Hauptnationalität die Grundlage desselben bildet. Sind aber in einem Staatswesen verschiedene Nationalitäten vereinigt, so können für die politische Behandlungsweise derselben folgende Systeme zur Anwendung kommen: 1) das System der Unterdrückung, das z. B. von Rußland der polnischen N. gegenüber befolgt wird; 2) das System der Verschmelzung, das altrömische und das französische System; 3) das System der Gleichberechtigung der verschiedenen Nationalitäten, auch wohl das deutsche System genannt, das aber auch in der Schweiz mit bestem Erfolg angewendet worden ist. Verwerflich war dagegen die Art und Weise, wie dieses System früher zum Zweck der Erhaltung der österreichischen Monarchie von österreichischen Staatsmännern, namentlich von Metternich, lange Zeit hindurch zur Anwendung gebracht worden ist, indem hier die einzelnen Nationalitäten gegeneinander gereizt und die eine durch die andre in Schach gehalten wurden.[442] Das politische Leben der Neuzeit hat die Bildung nationaler Staaten besonders begünstigt. Dies zeigt sich nicht nur in dem erfolgreichen Streben der in verschiedene Staaten zersplitterten Nationen nach Einheit, wie dies namentlich in Italien und Deutschland der Fall war, sondern auch in den Bestrebungen verschiedener zu einem gemeinsamen Staatskörper vereinigter Nationalitäten nach politischer Selbständigkeit, wie in Österreich-Ungarn, in Schweden und Norwegen. Man hat es sogar geradezu als einen politischen Grundsatz hingestellt, daß jede N. es als ihr Recht beanspruchen könne, einen besondern Staat zu bilden (Nationalitätsprinzip), ein Grundsatz, den Napoleon III. zur Grundlage seiner Politik erhoben hatte. Indessen hat nicht jede N. die Kraft, einen lebensfähigen Staat zu bilden, und umgekehrt sind manche Nationen kräftig und vielseitig genug, um die Grundlage für verschiedene Staaten abgeben zu können. Daß übrigens Napoleon III. das Nationalitätsprinzip zumeist nur als Mittel zur Erreichung selbstsüchtiger Zwecke benutzt hat, geht am besten aus der Einverleibung von Nizza und des größten Teiles von Savoyen hervor, die zu diesem Grundsatz im schärfsten Gegensatz stand. Immerhin muß aber die Theorie, wonach der Staat auf wesentlich nationaler Grundlage beruhen soll, freilich mit der gehörigen Einschränkung aus der geschichtlichen Entwickelung, dem einseitigen Festhalten an dem sogen. Legitimitätsprinzip (s. Legitimität) und der Gleichgewichtstheorie des Wiener Kongresses gegenüber als ein wichtiger Fortschritt in der Entwickelung des politischen Völkerlebens bezeichnet werden. Vgl. A. v. Kremer, Die Nationalitätsidee und der Staat (Wien 1885); Bagehot, Der Ursprung der Nationen (deutsch, Leipz. 1874); F. J. Neumann, Volk und N. (das. 1888); Herrmann v. Herrnritt, Nationalität und Recht (Wien 1899); A. Kirchhoff, Was ist national? (Halle 1902) und Zur Verständigung über die Begriffe N. und Nationalität (das. 1905). | Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 442-443. | Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007136625