Angaben zum Begriff
Bevorzugte Bezeichnung
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Definition
- bdk: Kenner des Talmud | Duden: Talmud: 1. Sammlung der Gesetze und religiösen Überlieferungen des Judentums nach der Babylonischen Gefangenschaft | Meyers Großes Konversations-Lexikon 1909: Talmud (Thalmud, »Studium, Lehre, Belehrung«), die Hauptquelle des rabbinischen Judentums, das bändereiche Schriftdenkmal aus den ersten fünf Jahrhunderten n. Chr., das den gesamten religionsgesetzlichen Stoff der jüdischen Tradition, nicht systematisch geordnet, sondern in ausführlichen freien Diskussionen, mit erbaulichen Betrachtungen, Parabeln, Legenden, historischen und medizinischen Thematen u. a. vermischt, enthält. Die Entstehungsgeschichte des Talmuds erhellt aus folgendem. Neben dem im Pentateuch enthaltenen schriftlichen Gesetz hat sich ein dieses ergänzendes und erklärendes mündliches Gesetz von Geschlecht zu Geschlecht vererbt, das mit der Erweiterung und Änderung des sozialen Lebens im Laufe der Zeit derart anwuchs, daß eine Sichtung und schriftliche Fixierung desselben sich als notwendig erwies. Diese im nachbiblischen Hebräisch, dem aber bereits lateinische und griechische Ausdrücke eigen sind, von R. Jehuda Hanassi (164–200 n. Chr.) im Verein mit gelehrten Zeitgenossen, die Tannaïm (v. chald. tanna, »Lehrer«) hießen, und auf Grund ähnlicher Vorarbeiten abgefaßte Sammlung mündlich überlieferter Gesetze und Gebräuche (Halachot) führt den Namen Mischna (»Lehre«, auch »Wiederholung«, nämlich des Gesetzes) und zerfällt in sechs Ordnungen (Sedarim): 1) Seraïm (»Saaten«, Hauptinhalt: Landbau und Feldfrüchte, vorangeht ein Kapitel über Segenssprüche und Gebete), 2) Moëd (»Feste«), 3) Naschim (»Frauen«: Ehegesetze), 4) Nesikin (»Beschädigungen«: Zivil- und Strafgesetze), 5) Kodaschim (Geweihtes und Opfer), 6) Taharot (Reinheitsgesetze). Die von R. Jehuda nicht aufgenommenen Gesetze wurden später von seinen Jüngern gesammelt und führen den Namen Boraitha (außerhalb [des Kanons] stehende Mischna), eine noch spätere Sammlung heißt Tossefta (Hinzufügung). In den Akademien Palästinas und Babylons bildete die Mischna nun die Grundlage der gelehrten Verhandlungen, in denen neben Gesetz, Recht, Kultus, Sittenlehre, Verwaltungswesen u. a. Berichte und Notizen aus dem Gebiete der Medizin, Astronomie, Philosophie, Naturwissenschaft, Geographie, Geschichte, Archäologie, Numismatik, Kunst, Handel und Gewerbe, kurz ein Ineinanderspielen sämtlicher Wissensfächer jener Zeit zum Ausdruck gelangen, so daß der T. den Niederschlag des gesamten Wissens eines Jahrtausends enthält. Die Vortragsweise richtet sich je nach dem behandelten Stoff, sie ist ernst, streng logisch bei der Halacha (s. d.), gemütlich und herzgewinnend bei der Haggada[298] (s. d.). Unabhängig von der Mischna werden neue Fragen diskutiert und Gesetze und Verordnungen geschaffen, welche die Mischna ergänzen und zum Teil Ausführungsbestimmungen sind. Diese später gesammelten Diskussionen der Talmudautoritäten (Amoräer, Sprecher) heißen Gemara (vervollständigte Erklärung) oder, mit der Mischna verbunden, T. und bilden eine Enzyklopädie des gesamten Wissens jener Zeit und Länder, kein Religionsbuch, auch keinen Gesetzeskodex im eigentlichen Sinne. Zu Anfang des 4. Jahrh. entstand in Palästina der im westaramäischen Idiom geschriebene jerusalemische T., die vier ersten Ordnungen der Mischna behandelnd. Er hat nur literarhistorische Bedeutung. In Babylon wurde von R. Aschi, Schuloberhaupt in Sura (367–427), das mündlich erhaltene Material der Tradition gesammelt, geordnet und ergänzt, darauf eine weitere Revision von seinen Nachfolgern Maremar, R. Idi ben Abin, Mar ben R. Aschi u. a. unternommen, so daß um 500 der babylonische T. in seiner bis heute erhaltenen Form vorlag. Im ostaramäischen Idiom abgefaßt, gilt er als der eigentliche T. und ist für die religiöse Praxis der Juden maßgebend geworden. Unzählige Male gedruckt, von zahllosen Gelehrten kommentiert, sind einzelne Teile in die Kultursprachen übersetzt und die in ihm erörterten Wissensgebiete in Einzelschriften behandelt worden. Von ältern Mischnaerklärern sind Maimonides (s. d.), Obadja von Bertinoro (Ende des 15. Jahrh.), Liepman Heller (Tossefot jom tob, 1579–1654), Jakob Chagis, von Übersetzern der Mischna, die schon im 10. Jahrh. ins Arabische, später ins Spanische übertragen ward, Surenhusius (lateinisch), Rabe (deutsch), Jost (deutsch mit hebräischen Lettern) und Sammter zu nennen, dessen Übersetzung (Berl. 1885 ff.) von Baneth und Hoffmann fortgesetzt ist. Eine »sinn- und wortgetreue Übersetzung des babylonischen Talmud nach der ersten zensurfreien Ausgabe« (vom Drucker Bomberg, Vened. 1520–23) gibt Laz. Goldschmidt (Berl. 1897 ff.) heraus. Die haggadischen Bestandteile des babylonischen Talmuds übersetzte Wünsche (Leipz. 1886–89, 2 Bde., 5 Tle.). Einleitungen in die Mischna schrieben: Geiger, Dukes, Weiß, Frankel, Jakob Brüll u. a., Einteilungen in den T.: Samuel Hanagid, Nissim ben Jakob, Maimonides, Joseph ibn Aknin u. a., ein Realwörterbuch, »Pachad Jizchak«, verfaßte Isak Lampronti (1679–1756), eine Realenzyklopädie Hamburger (Strelitz 1883). Die hervorragendsten Wörterbücher zum T. sind: »Aruch« von Nathan ben Jechiel aus Rom (um 1101, neue erweiterte Ausgabe von Kohut u. d. T.: »Aruch completum«, Wien 1878–92), die von Buxtorf (2. Aufl. von Fischer, Leipz. 1866–70, 2 Bde.), Levy (das. 1875–89) und Dalman (Frankf. a. M. 1901). Erklärer des babylonischen Talmuds sind neben Raschi (s. d.) eine Reihe von deutschen und französischen Rabbinern aus dem 12. und 13. Jahrh., Tossasisten (Glossatoren) genannt, R. Ascher ben Jechiel (abgekürzt Rosch, 1306–27), Salomo ibn Adreth (gest. 1310), Salomo Luria (gest. 1573), Samuel Edels, Elia Wilna (gest. 1797), Akiba Eger (gest. 1837) u. a. Über Mischna und Talmudausgaben, die Erläuterungen u. Übersetzungen zu den einzelnen Traktaten, die Hilfsmittel zum Verständnis der Sprache, der haggadischen und halachischen Bestandteile und die Monographien der talmudischen Disziplinen vgl. Strack, Einleitung in den T. (3. Aufl., Leipz. 1900); Bischoff, Kritische Geschichte der Talmudübersetzungen (Frankf. a. M. 1899) und Talmudkatechismus (Leipz. 1904); Rodkinson, The history of the T. (New York 1904, 2 Bde.); »The Jewish Encyclopedia«, Bd. 12, S. 1–37 (das. 1906). | Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 298-299. | Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007559755