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Ketzer  

Definition

  • Duden: 1. (katholische Kirche) Häretiker | 2. jemand, der öffentlich eine andere als die in bestimmten Angelegenheiten für gültig erklärte Meinung vertritt | Meyers Großes Konversations-Lexikon 1907: Ketzer (Härētiker), überhaupt alle, die von der als rechtgläubig allgemein anerkannten Kirchenlehre abweichen, zu unterscheiden von den Ungläubigen (infideles), d. h. allen denen, die keine Christen sind, den Apostaten (s. d.) und den Schismatikern (s. d.). Der Name K. ist aus dem Wort Katharer (s. d.) entstanden und kommt zuerst bei den Minnesingern des 12. Jahrh. vor. Sobald im Verlauf des 2. Jahrh. die katholische Kirche sich konsolidiert hatte, wurden die abweichenden Lehren als Häresien, d. h. Ketzereien, ausgeschieden. Dergleichen Ketzereien haben seit Justinus Martyr, dessen Verzeichnis verloren gegangen ist, die Kirchenväter rastlos zusammengestellt. Sie wurden von seiten der Bischöfe durch Ausschließung aus der Kirche (Exkommunikation) bestraft, und erst nach vielfachen Bußübungen wurden die Reuigen wieder aufgenommen. Seit Konstantin d. Gr. standen auf das Verbrechen der Ketzerei Güterkonfiskation und Landesverweisung (Exil), Verbrennung ketzerischer Bücher und Verlust der bürgerlichen Rechte, bald sogar die Todesstrafe. Das erste Beispiel der letztern gaben 385 die spanischen Bischöfe, auf deren Betreiben Priscillianus (s. d.) enthauptet wurde. Noch schlimmer erging es den Ketzern, namentlich den Anführern derselben, als im 13. Jahrh. durch Gregor IX. auf der Kirchenversammlung zu Toulouse (1229) die Ketzergerichte (s. Inquisition) angeordnet und (1232 und 1233) die Dominikaner zu beständigen päpstlichen Inquisitoren (»Ketzermeistern«) mit unumschränkter Vollmacht ernannt wurden (s. Konrad von Marburg). Ludwig IX. von Frankreich (1228) und Kaiser Friedrich II. in mehreren Gesetzen (Reichsgesetz von 1232) machten den Staat der Kirche zur Henkersarbeit dienstbar. Zugleich fanden förmliche Kreuzzüge gegen die K. statt; ihnen erlagen im 13. Jahrh. die Albigenser und die Stedinger. Seit der Reformation werden von der römisch-katholischen Kirche vornehmlich die Protestanten und in letzter Zeit auch die Altkatholiken (s. Altkatholizismus) als K. bezeichnet. Auch die protestantischen Kirchen unterscheiden Rechtgläubige (»Orthodoxe«) und Häretiker (»Heterodoxe«). Im modernen Staat, der an Stelle des Bekenntniszwangs die Gewissensfreiheit setzte, ist die Ketzerei kein bürgerliches Vergehen, und ausschließlich mit den Mitteln kirchlicher Straf- und Zuchtgewalt verfolgbar, d. h. also nach dem gegenwärtigen Stande der meisten Staatskirchengesetzgebungen: nur mit solchen Strafmitteln, welche die bürgerliche Rechtssphäre (Leib, Vermögen, Freiheit, Ehre) nicht berühren. | Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 870. | Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006888615

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