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Definition
- Duden: Bewohner des Osmanischen Reichs (der heutigen Türkei) | Duden: Türkei: Staat in Vorderasien und Südosteuropa | Meyers Großes Konversations-Lexikon 1908: Osmānen (Osmanli), offizieller Name der Türken, nach Osman I., dem Gründer ihres Reiches. | Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 161. | Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007194595 | Meyers Großes Konversations-Lexikon 1909: Türkisches Reich. Das türkische oder osmanische Reich (türk. Memâlik-i Osmanije, »die osmanischen Länder«, oder Devlet-i Alije, »das hohe Reich«) umfaßt die gesamte Ländermasse, die in Europa, Asien und Afrika unter der Herrschaft des Sultans (Padischah) in Konstantinopel steht, d. h. Teile der Balkanhalbinsel, den westlichsten Teil Vorderasiens (Asiatische Türkei, s. unten, S. 823) sowie den Nordosten von Afrika (Tributärstaat Ägypten und als unmittelbaren Besitz Tripolitanien, Barka und Fezzan; vgl. diese Artikel). Es sind teils unmittelbare Besitzungen, teils tributäre oder unter fremder Verwaltung stehende Staaten; letztere gehören nur äußerlich zur Türkei, sind tatsächlich selbständig (Bulgarien mit Ostrumelien, Samos, Kreta) oder von Österreich-Ungarn (Bosnien und Herzegowina) und England (Cypern, Ägypten) besetzt. Große Strecken Landes in Albanien, Kleinasien und Kurdistan sind faktisch der Türkenherrschaft gänzlich entzogen; die Grenzen des Reiches stehen besonders gegen das unabhängige Arabien und Afrika hin nicht fest. Deswegen und wegen des Fehlens jeder brauchbaren offiziellen Statistik sind die Angaben über Grenzen, Areal und Bevölkerung nur annähernd richtig und unterliegen großen Schwankungen. Das ganze Türkische Reich wird in 30 Provinzen oder Wilajets, davon 7 in Europa, und 6 Mutesarrifliks, davon 1 in Europa, geteilt.[815] [...] | Die Osmanen (Osmanli), das herrschende Volk. obwohl sie keineswegs die Mehrzahl bilden, sind ein Turkvolk (s. Türken), ein schöner Menschenschlag mit edlen Gesichtszügen. Ihre hervorstechenden Nationalzüge sind: Ernst und Würde im Benehmen, Mäßigkeit, Gastfreiheit, Redlichkeit, Tapferkeit, anderseits Herrschsucht, übertriebener Nationalstolz, religiöser Fanatismus und Fatalismus. Trotz körperlicher und geistiger Befähigung sind sie in der Kultur hinter den meisten europäischen Völkern zurückgeblieben und haben nur langsam und mit Widerstreben der abendländischen Zivilisation Eingang gestattet. Die Ehe ist eine durch zahlreiche Bestimmungen geregelte Polygamie. Die Frauen der Reichen, auf die sich die Polygamie beschränkt, leben in Harems eingeschlossen. Die gemeinen Osmanen haben selten mehr als eine Frau. Die Wohnungen sind unansehnlich und schmucklos, meist von Holz und einstöckig; sie haben im Innern einen viereckigen Hof, nach dem die Fenster gehen, während nach der Straße zu nur einige Gitterfenster vorhanden sind. Bei den Beamten und Vornehmern ist die Nationaltracht durch den fränkischen schwarzen Rock verdrängt worden. Die Osmanen sind die Inhaber der Zivil- und Militärstellen oder treiben Gewerbe, Ackerbau besonders in Kleinasien. S. Tafel »Volkstrachten II«, Fig. 21–24. | [Religionsverhältnisse.] Die Hauptreligionen in der Türkei sind die mohammedanische und die griechisch-orthodoxe. Zu jener, zum Islam, bekennen sich die Bewohner osmanischen Stammes sowie die Nachkommen derjenigen frühern Bewohner (Slawen, Griechen. Albanesen), die nach ihrer Unterwerfung diesen Glauben angenommen haben, und die vereinzelten Gruppen neuerer Renegaten. Die Bekenner des Islams heißen Muslimin (danach verderbt Muselmanen). Ihre Heilige Schrift und ihr Gesetzbuch ist der Koran (s. d.). Die Adepten des Koranstudiums, das sowohl zu juristischen als kirchlichen Ämtern befähigt (denn einen Unterschied zwischen Staat und Kirche kennt der Islam nicht), sind die Ulemā (»Gelehrte«). Der Ulemā tritt, wenn er, 10–12 Jahre alt, die Elementarschule verlassen hat, in eine der mit den großen Moscheen verbundenen Medressen (Seminare), in der er als Softa Unterricht in der Grammatik, Logik, Moral, Rhetorik, Philosophie, Theologie, Rechtsgelehrsamkeit, im Koran und in der Sunna erhält. Er empfängt dann vom Scheich ul Islam das Diplom als Kandidat (Mulasim) und kann, dadurch zur untersten Stufe der Ulemā erhoben, Richter (Kadi) werden. Will er aber zu den höchsten Würden gelangen, so muß er noch sieben Jahre auf das Studium der Rechtsgelehrsamkeit, Dogmatik etc. verwenden, worauf er zum Grad eines Muderris befördert wird. Die Gotteshäuser, in denen am Freitag Gottesdienst abgehalten wird, heißen Moscheen (Dschami). Die Geistlichkeit teilt sich in fünf Klassen: die Scheich (»Älteste«), die ordentlichen Prediger der Moscheen, die alle Freitage nach dem Mittagsgottesdienst über moralische und dogmatische Gegenstände Vorträge halten; die Chātib, die alle Freitage in den großen Moscheen das Gebet für den Sultan verrichten; die Imām, denen der gewöhnliche Dienst in den Moscheen, die Trauungs- und Begräbniszeremonien obliegen; die Muessin,[818] die von den Minaretts die Stunden des Gebetes verkündigen; die Kaim, Wächter und Diener der Moscheen, die nebst den zwei vorhergehenden Klassen nicht zu den Ulemā gehören. Wenn die Ulemā gewissermaßen die Weltgeistlichkeit repräsentieren, können die Orden der Derwische als Ordensgeistlichkeit bezeichnet. werden. Die griechisch-orthodoxe Kirche der Türkei hat ihre Verfassung von 857, insoweit dies unter der Herrschaft der Mohammedaner möglich war, treu bewahrt. Die Würden der Patriarchen zu Konstantinopel, Jerusalem und Antiochia bestehen noch. Das höchste Ansehen besitzt der Patriarch von Konstantinopel. Ihm zur Seite steht für religiöse Angelegenheiten die Heilige Synode und für Verwaltungsangelegenheiten ein Nationalrat. Die Mönche und Nonnen folgen der Regel des heil. Basilius; die berühmtesten Klöster sind die auf dem Berg Athos (s. d.) in Mazedonien. Die armenisch-christliche Kirche steht unter den vier Patriarchen zu Konstantinopel, Sis, Achtamar und Jerusalem. Die römisch-katholische Kirche zählt in der Türkei 9 Erzbischöfe, Patriarchen und Bischöfe, von denen 3 auf die europäische Türkei kommen. Die Juden haben in Konstantinopel einen Großrabbiner (Chacham Baschi). Alle nicht zum Islam sich bekennenden Bewohner der Türkei werden unter dem Namen Rajah (Volk, Herde) zusammenbegriffen, obwohl diese Bezeichnung durch eine Verfügung des Sultans Medschid offiziell abgeschafft worden ist. Der Islam duldet die christliche und die jüdische Religion neben sich. Man schätzt die Mohammedaner der europäischen Türkei auf 50 Proz., die Griechisch-Orthodoxen auf 40,4 Proz., die Katholiken auf 4,6 Proz. und die Juden auf 1,5 Proz. der Gesamtbevölkerung. [...] | Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 815-831. | Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000761621X